Bruckenthal 1915
Bericht des Pfarrers Gieszczy?ski
Zeitweiser der Galiziendeutschen 1986
Auf der Wasserscheide der Flüsse Rata und Solokia, Nebenflüssen des Bug, im heutigen politischen Bezirk Rawa-Ruska, liegt die deutsche Kolonie Bruckenthal, welche gegenwärtig (1915) cirka 400 Seelen zählt. Nach den im Pfarramte zu Bruckenthal aufbewahrten Schriften und Dokumenten wurde diese Kolonie im Jahre 1786 von Kaiser Josef II. gegründet. Die Einwohner dieser Ansiedlung stammen zumeist aus Mainz, dann aus Trier und Worms, wenige aus Bayern.
Noch gegen das Ende des 18. Jahrhunderts war diese Gegend ganz mit Urwäldern bedeckt. Hier blühte die Holzdestillation; Terpentinöl, Teer und dergleichen wurden hier erzeugt. Nur eine einzige Straße führte durch diese Wälder, auf welcher früher Türken und Tataren nach Westen einfielen. Als im Jahre 1772 Galizien an Österreich kam, wollte man an den äußersten Grenzen des Reiches sichere Stützpunkte haben und dieser Gedanke bewog die österreichische Regierung, die am meisten nach Osten und Norden vorgeschobenen Endpunkte des Reiches mit Deutschen zu besetzen. So wurde auch hier ein höhergelegener Punkt ausgewählt. Nach dem vom Kameralingenieur entworfenen Plane wurde ein neues Dorf gegründet, das den Namen Bruckenthal erhielt, weil man von allen Seiten auf den Straßen, welche vom Tale zur Kolonie führten, Brücken passieren mußte.
Auf den Ruf des Monarchen verließen viele deutsche Familien ihr schönes Vaterland am Rhein. Nach einer Überlieferung gelangte ein großer Transport der Auswanderer auf der Donau nach der Reichshauptstadt Wien, von wo 45 Familien aus Mainz, Worms, Trier und einige aus Bayern nach Bruckenthal gewiesen wurden. Die meisten waren Handwerker, Schmiede, Schuhmacher, Gerber, Riemer, Schneider, Wagner und Zimmerleute, darunter auch Krämer. Diese sollten im neuen Vaterlande weiter ihren Beruf betreiben. Den weiten Weg nach Osten haben diese deutschen Emigranten teils zu Fuß, teils zu Wagen in zwei Monaten zurückgelegt. An Ort und Stelle angelangt, fanden dieselben schon fertige Wohnhäuser vor. Eine jede Familie erhielt durchschnittlich 20 Joch Grund, von dem noch vieles mit Hecken, Sträuchern, Kiefern bewachsen war und erst urbar gemacht werden mußte. Außerdem erhielt jede Sippe je ein Paar Pferde, Kühe, Ochsen und alle Wirtschaftswerkzeuge, dazu noch sieben „Korez“ Frucht (ca. 128 Liter). Als Freibauern waren sie auf längere Zeit von Steuern befreit, sie durften bis 1850 unentgeltlich aus den herrschaftlichen Waldungen Brennholz und Baumaterial beziehen und hatten das Recht der Hutweide auf herrschaftlichen Wiesen. Hierauf wurde 1851 diese Dienstbarkeit abgelöst und als Entgelt für dieses Recht erhielt die Gemeinde 42 Joch Wald und Hutweide als Eigentum.
Die neue Stätte haben die Ansiedler lieb gewonnen. Gott segnete ihre Arbeit und ihren Fleiß. Sie kamen zum Wohlstande. Die Wirtschaften wurden in der Regel nicht geteilt. Der älteste Sohn erbte nach dem Vater die Wirtschaft, alle übrigen Söhne erlernen ein Handwerk und verlassen das väterliche Haus. Die Kolonisten betreiben bei der Wirtschaft auch das vom Vater ererbte Handwerk. Bis zum heutigen Tage sind die Kolonisten tüchtige Schmiede, Wagner, Schuhmacher, Riemer, Gerber und Zimmerleute, so daß die ganze Umgegend in Bruckenthal den Bedarf befriedigt. Seit vielen Jahren sind keine Schneider und Krämer da, doch der Beiname: „Krämers Hannes und Schneiders Jakob“ ist bis heute geblieben. Im Laufe der Jahre erwarben sich Kolonistensöhne in den benachbarten ruthenischen Dörfern kleine Wirtschaften. Um das Jahr 1880 sind aus Bruckenthal und Umgebung etwa fünfzig deutsche Sippen und viele einzelne ledige Deutsche nach Amerika ausgewandert, wo sie die deutsche Kolonie Hankinson gründeten; heute wohnen noch ca. 65 deutsche Familien in Bruckenthal und Umgebung.