Das Mühlengewerbe

Auch heute verweisen überall in Deutschland Straßen- und Flurnamen auf das Mühlengewerbe. Da sich auch unter meinen Vorfahren vornehmlich in Sachsen und Böhmen mehrere Müller befanden, will ich heute mal das Mühlengewerbe beschreiben.

Während in den Dörfern viele der ehemaligen Mühlengebäude nach wie vor existieren, sind sie aus den altstädtischen fast vollständig verschwunden. Dabei gehörten Mühlen über Jahrhunderte zu den markantesten Gebäuden im Siedlungsraum. Das war mehr als bloße Äußerlichkeit. Wie kein zweites Gewerbe hat das Mühlenhandwerk neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung die Entwicklung der Flußlandschaft geprägt. Dort, wo Mühlen entstanden, entstanden auch Mühlgräben und Mühlteiche, wurden Wege und Brücken angelegt, siedelten weitere Gewerke.

Das Mühlengewerbe hatte seit alters her im Gewerbeleben eine Sonderstellung. Wirtschaftlich waren die Getreide- und die Öl- oder Schlagmühlen bis zu Einführung der Kartoffel Anfang des 18. Jahrhunderts entscheidend für die Ernährung der Bevölkerung.

Die Mühlen genossen als wichtiges Hilfsmittel für die Lebensmittelzubereitung und hinsichtlich ihrer Lage an einsamen Orten, meist in Gehölzen und Weidegründen, seit jeher einen erhöhten Rechtsschutz. Die mittelalterlichen Rechtsbücher zählen die Mühlen ausdrücklich zu den befriedeten, gegen jede Gewalttat geschützten Sachen (“Mühlenfrieden”) und ahnden den Friedensbruch mit schweren Strafen.

Im 10. Jahrhundert verschwand der selbständige Kleinbesitz und an seine Stelle trat der Großgrundbesitz. Die Mühlen wurden – mit Knechten betrieben- Teil der Fronhöfe der Grundherren, die sich die Rechte an dem genossenschaftlichen Besitz, der “Allmende”, aneigneten und sie blieben es bis zum 12. Jahrhundert. Danach wurden sie gegen jährliche Abgaben an Pächter verliehen, die sie auf eigene Kosten betrieben. Mit der Ausbildung des Territorialstaates im 12. Jahrhundert kam es zu einer staatlichen Mühlenhoheit, die zusammen mit dem Mühlenbann für das Mühlengewerbe bis ins 19. Jahrhundert eine völlig neue Rechtsgrundlage schuf. Es gab zweierlei Mühlen: die herrschaftlichen, die Eigentum des Landesherren waren, und die Privatmühlen von Privatpersonen, die in aller Regel weltlichen und geistlichen Herren gehörten. Private und landesherrliche Mühlen wurden gewöhnlich nicht in eigener Regie, sondern entweder in Erbpacht oder in Zeitpacht betrieben. Der Müller konnte aber auch als Pächter jederzeit vom Vertrage zurücktreten.

Bis zur Aufhebung des Mahlzwangs und der Einführung der Gewerbefreiheit (in Sachsen 1838 bzw. 1861) blieb das Mühlengewerbe streng reglementiert. Während der Mühlbann den Einzugsbereich einer Mühle schützte, indem er den Bau weiterer Mühlen in dem betreffenden Gebiet untersagte, verpflichtete der Mahlzwang die Bauern, ihr Getreide in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen. Beide Regelungen fanden in Mühlenordnungen ihren Ausdruck. Da nicht jedes Dorf über eine eigene Mühle verfügte, führte der Mühlzwang zur Bildung von Mühlwegen.

Der Erbleihbrief spezifizierte die Bedingungen, unter denen eine Mühle erblich verliehen wurde. Neben der einmaligen Erbleihgebühr war die Zahlung des jährlich, meist zu Martini, an die herrschaftliche Kellerei zu entrichtenden Pachtzins aus einer nach “Malter” ( Getreidemaß ) berechneten Menge Korn für das Pachtverhältnis maßgebend. Zu dieser Fruchtpachtabgabe waren je nach Größe der Mühle ein bis zwei Mühlenschweine sowie Gänse und Eier für die Hofhaltung zu entrichten.

Die Müller erzielten zum Teil gute Einkünfte. Das fan seinen Ausdruck in häufigen Taufpatenschaften und hohen Steuerschätzungen. Andererseits blieben viele Müller auf Nebenerwerb (Land- oder Fischwirtschaft) angewiesen. Plünderungen und Kriegseinwirkungen, Hochwasserschäden und Dürreperioden, Eisgang und Feuersbrünste waren ihnen – wie allen Zeitgenossen – gegenwärtig. Der nachweisbaren Reputation der Müller stand die Tatsache entgegen, daß der Berufsstand als betrügerisch und streitsüchtig galt. Zahlreiche Prozesse, die die Müller gemeinsam und noch häufiger gegeneinander führten, hatten ihre Ursache in den Produktionsbedingungen der Mühlen. Die Nutzung des Wassers (Wasserrechte) beruhte auf strikter Beachtung der geltenden Bestimmungen. Staute ein Müller zuviel Wasser, verschlechterten sich für den nächsten die Voraussetzungen für den Mühlenbetrieb.

Es kam besonders im 18. Jahrhundert vor, dass die Müller den Antrag stellten, ihre Naturalpacht in eine Geldpacht zu verwandeln. Denn, wenn wegen Trockenheit im Sommer oder wegen Hochwasser die Mühle nicht mahlen konnte, wenn wegen Überschwemmung oder Eisgang Wehr und Mühle beschädigt worden waren, und wenn wegen Missernten oder Plünderungen der einsam gelegenen Mühlen in Kriegszeiten das Getreide knapp wurde, waren die Müller oft nicht imstande, den Pachtzins in natura zu erstatten. Das Missliche war, dass die Müller keinen Rechtsanspruch auf Pachtnachlass hatten, wenn sie einmal unverschuldet im Gebrauch der Mühle behindert worden waren. Allerdings ließ der Landesherr meist doch etwas von der Pachtsumme nach, falls sie untertänigst darum nachsuchten und die von ihnen beigebrachten Gutachten, etwa des Landeskellers, begründet erschienen; das änderte aber grundsätzlich nichts daran, dass das ein landesherrlicher Gnadenakt war.

Der Erbpächter hatte die laufenden Unterhaltungskosten für Gebäude, Einrichtung und Wasserbauten mit Ausnahme außerordentlicher Reparaturen auf eigene Kosten zu tragen. Dies war in den Mühlenbriefen festgelegt. Während die Unterhaltung der meist nur aus Holz und Lehm in Fachwerkbauweise errichteten Mühlengebäude keine größeren Kosten verursachte, erforderte die Reparatur und Wiederherstellung von Mühlenwehren bedeutend höhere Kosten.

Die Mühlengebäude hatten bescheidene Ausmaße. Durchweg lagen Wohnhaus und Mühlenraum unter einem meist mit Stroh gedeckten Dach. Hinzu kamen die Stallungen für Schweine, Kühe, Esel und Pferde. Fast alle Müller betrieben als Nebengewerbe die Landwirtschaft.

Quelle: teilweise entnommen http://www.neue-ufer.de

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