Der geheimnisvolle Großvater
Eine Vermisstensuche …
Vater Peter war ein uneheliches Kind. Über den Großvater wurde nie gesprochen, denn er war „ein böser Mann“. Geheimnisvoller Nebel umwob die Großvaterfigur.
Jedoch veranlasste diese Geheimnistuerei und das nicht über den Großvater sprechen dazu, mehr über ihn wissen zu wollen. Wer war dieser Mann über den angeblich nichts bekannt war und der in der Familie unausgesprochen blieb? Großmutter musste ihn geliebt haben, hätte sie sonst ein Kind bekommen? Oder war etwas Unzüchtiges vorgegangen?
Eine erste Spur ergab sich, als Großmutter 1993 starb. Beim ausräumen Ihrer Wohnung fand sich ihr Tagebuch. Es ist zwar schwer zu lesen und einige Passagen sind in Steno geschrieben, die konnten bis heute nicht entziffert werden, aber der erste Hinweis auf den Großvater war gefunden.
Großmutter hat ihn im Februar 1936 kennen gelernt, in Pforzheim. Er war Theaterschauspieler und hatte zu dieser Zeit ein Engagement am Pforzheimer Theater. – Name Ralf/Rolf Lunden alias Rudolf Malescha, so stand es im Tagebuch geschrieben.
Tagebuchauszug:
Februar 1936 | „Ich lernte Ralf Lunden (Rudolf Malescha) im Salart kennen. Er brachte mich nach Hause und war sehr anständig Er wollte mich wieder treffen. Ich sagte ‚Wir sind Mittwochs im Salart …‘ Wir waren eine Gesellschaft von ca. 6 Personen. Ralf hat sich dann auch angeschlossen. |
25.02.1936 | Fasching. Wir waren im Salart. Ich kam erst so gegen 1/2 11 Uhr. Ralf war darum böse, ich erklärte ihm, dass es nicht früher ging. … |
ohne Datum | Ich war im März zum 1. Mal mit Ralf zusammen. Die Stimmung brachte es so mit sich. Und schließlich will man als Frau auch nicht, daß der Mann den man liebt und von dem man sich wieder geliebt glaubt, fremdgeht. |
25.03.1936 | Ich sagte Ralf gleich Bescheid. Er gab mir zu Antwort: ‚Ich stehe zu jeder Konsequenz‘ Das ist gut …. |
Irgendwann fand sich dann beim Durchsuchen der Papiere noch einen Antrag auf Halbwaisenrente für den Vater aus dem Jahr 1949. In diesem Antrag wird erklärt, dass der Großvater als verschollen gilt, da seit 1943 keine Nachricht mehr über ihn gekommen sei. Auf Grund dieses Antrages erhielt Großmutter für das Kind Halbwaisenrente. Zumindest ging aber aus diesem Papier wieder ein Name und ein Geburtsdatum hervor, das amtlich zu seien schien – Rudolf Hans Malecha, geb. am 15.06.1902.
Jedoch erklärt es nicht, was aus Großvater geworden ist, im Gegenteil – mehr Fragen.
Noch 1993 wurde einen Antrag beim DRK-Suchdienst gestellt. Lange dauerte es bis Antwort kam – erst im Sommer 1994.
Der DRK-Suchdienst teile mit, dass bereits 1947 eine Frau Dorothea Suchan einen Suchantrag gestellt hätte. In der Anlage befand sich ein Schreiben der Frau Suchan, in dem sie auf Anfrage des Suchdienstes 1993 die Ihr bekannten Fakten darlegt.
>> Kennen gelernt hat sie Rudolf Malecha (Lunden) im Juli 1936. Es verband beide ein loser Kontakt.
Sie schreibt von einer Ehefrau Ingeborg, die nach Berlin geflohen sei, nach Charlottenburg, Friedbergstr. 43. Das letzte Mal von ihm gehört hat sie angeblich 1947 aus Chrimmitschau in Sachsen, wo er einen Brief aus der Pestalozzistr. 8 schrieb. Sie vermutet, er hätte dort ein Engagement am Theater gehabt. <<
Der Suchdienst schreibt, dass er in Chrimmitschau nicht gemeldet gewesen sei. Jedoch hätte eine weitere Person nach Rudolf Malecha gesucht – 1962 Sonja Kühn aus Pforzheim. – Sonja ist seit ihrem 10. Lebensjahr mit Vater Peter bei Großmutter aufgewachsen, als seien sie Geschwister.
Einzige weitere Auskunft des Suchdienstes sind folgende Meldedaten aus Berlin:
1947 gemeldet in Berlin-Charlottenburg, Friedbergstr. 43, am 15.01.1948 unbekannt verzogen.
Damit verlief sich die Sache aber im Sande, weil die neuen Ansätze für eine Suche fehlten, zumindest bis Herbst 2008.
damals bekannte Fakten:
Rudolf Franz Malecha, geb. am 15.06.1902.
Beruf: (Theater-)Schauspieler
Künstlername: Ralf oder Rolf Lunden
- hatte Anfang 1936 ein Engagement am Theater Pforzheim
- hatte Anfang 1936 ein Engagement am Theater Hof
- 1947 gemeldet in Berlin-Charlottenburg, Friedbergstr. 43, am 15.01.1948 unbekannt verzogen
- nach dem Krieg meldete er sich 1947 aus Crimmitschau, Pestalozzistr. 8 (war dort am Theater tätig ?)
- wurde 1949 aus Grund der Antragstellung auf Waisenrente für Peter Walter Eberle für vermisst erklärt. „Er gilt als verschollen, weil seit 1943 keine glaubhaften Nachrichten von ihm eingegangen sind“
- Ehefrau hieß angeblich Ingeborg
- angebliche Heimatanschrift: Breslau, Alsenstr. 9
Nachkommen:
Peter Walter Eberle, geb. 30.10.1936 in Pforzheim – Mutter: Amalie Emilie Eberle
Die erneute Suche begann mit einer Anfrage am Theater in Pforzheim, die aber nichts ergab. Ebenso war er nicht in Pforzheim gemeldet.
Die nächste Idee war, nachzuforschen, ob Rudolf Malecha in der Geburtsurkunde von Vater Peter eingetragen war. Vielleicht gab es ja dadurch neue Hinweise.
Auf Nachfrage beim Standesamt in Pforzheim kam dann, natürlich gegen Gebühr, die Geburtsurkunde von Vater Peter. Als Vater eingetragen war Rudolf Franz Malecha, wohnhaft in Lüneburg. Die erste wirklich brauchbare Spur, im vielleicht doch weiter zu kommen. Gemeldet war er also in Pforzheim damals nicht, aber er hatte zu dem Kind gestanden.
Der nächste Schritt war eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt in Lüneburg.
Melderegisterauskunft:
geboren am 15.06.1902 in Tarnowitz (Oberschlesien), heute Tarnowskie Gòry, Powiat Tarnogòrski, Wojewodschaft Schlesien, Polen
Staatsangehörigkeit: deutsch
Religion: katholisch
Beruf: (Theater-)Schauspieler
am 18.07.1935 aus Berlin W. 62 nach Lüneburg, Neue Sülze 6 angemeldet
am 27.05.1938 aus Lüneburg nach Berlin (ohne weitere Angaben) abgemeldet
Eine Anfrage bei Berliner Theatern hat nichts ergeben.
Die Melderegisteranfrage beim Landesarchiv in Berlin ergab keine Einträge.
Eine Anfrage beim Theater in Crimmitschau ergab:
>> Recherchen in dem beim Henschelverlag jährlich erschienenen Sonderdruck der Zeitschrift „Theaterdienst“: „Neu- und Reengagements der Bühnen der Deutschen Demokratischen Republik“ haben für den von Ihnen gesuchten Rolf Lunden folgendes ergeben:
Spielzeit:
1963/64: Altenburg – Spielleiter/Regisseur (Crimmitschau)
1964/65: Halle, Theater der Jungen Garde – Schauspieler (Altenburg)
1965/66: Halle, Theater der Jungen Garde – Schauspieler
1966/67: Halle, Theater der Jungen Garde – Schauspieler
1967/68: Halle, Theater der Jungen Garde – Schauspieler
Die Ortsangaben in Klammern sind den Publikationen entnommen. 1967/68 enden die Einträge in den „Neu- und Reengegements“
Ob es sich dabei um den gesuchten Rudolf Franz Malecha handelt, vermag ich nicht zu sagen. <<
Spuren ? (Google Buchsuche)
- Ein Rolf Lunden war 1922 Darstellendes Mitglied am Städtischen Schauspielhaus Memel.
- Rolf (Rudolf) Lunden war 1943 Schauspieler und Spielleiter Am Volktheater Schlesien in Breslau
- In Crimmitschau arbeitete nach dem Krieg ein Rolf Lunden als Schauspieler und Regisseur.
- In Halle/Saale war er ebenfalls ein Rolf Lunden am Theater Junge Garde als Regisseur engagiert (Theater wurde 1952 eröffnet)
- Eine weitere Spur führt in das Ernst-Barlach-Theater, Güstrow (möglicherweise ab 1957)
War dieser Theaterschauspieler wirklich Rudolf Franz Malecha ? – Eine Bestätigung gab es bisher nicht.
Deshalb versuchten wir unser Glück mit einer Melderegisteranfrage in Halle (Saale).
Ja, er war es. Die Melderegisteranfrage 2009 in Halle (Saale) ergab, daß er von 1960 bis 1968 in Halle (Saale) gemeldet war und 1968 in Lutherstadt-Wittenberg verstorben ist.
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