Der Trainsoldat Paul Reichl

Paul Reichl ist mein Urgroßvater, der Großvater meiner Mutter. Er ist geboren am 03.08.1884 in Chemnitz, Sachsen und angeblich in Komotau, Böhmen am 27.01.1924 verstorben, wo sein Sterbeeintrag aber nicht gefunden wurde.

Paul Reichl war Zeit seines Lebens Soldat der k.u.k. Landstreitkräfte Österreich-Ungarns. Er wurde 1905 einberufen zum k.u.k. Dragonerregiment „Eugen Prinz von Savoyen“ Nr. 13. Seit 1889 war das Regiment mit der Ergänzung an den Bereich des IX. Korps (Militär-Territorial-Bezirk Josephstadt) zugewiesen. Komandant war seit 1900 Oberstlieutenant-Oberst Walter von Sagburg zu Pfefferslehensegg, Gösslheimb und Gallo di Escalada.

Seit 1866 bestand in Österreich-Ungarn die allgemeine Wehrpflicht. Sie wurde ab 1868 durch vereinbarte, gleichlautende Gesetze der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte definiert. Sie umfasste den Dienst im Heere, der Kriegsmarine, der Landwehr und dem Landsturm. Die Dauer der Dienstpflicht im stehenden Heere betrug 12 Jahre (3 Jahre in der Linie (aktiv), 7 Jahre in der Reserve und 2 Jahre in der nichtaktiven Landwehr). Einjährig-freiwilliger Dienst war sowohl im Heer (resp. der Kriegsmarine) als auch in der Landwehr gestattet. Der Einjährig-Freiwillige erhielt keine Löhnung und musste sich die Ausrüstung (ggf. einschließlich Pferd) selbst beschaffen. Die allgemeine Dienstpflicht begann mit dem 21. Lebensjahr. Landsturmpflichtig waren alle Personen vom 19. bis zum 42. Lebensjahr, sofern sie nicht dem Heer, der Landwehr und der Ersatzreserve angehörten.

Paul Reichl wurde gemustert, für tauglich erklärt und eingeteilt am 01. April 1905 nach der Losreihe auf 3 Jahre in der Linie, 7 Jahre in der Reserve und 2 Jahre in der Landwehr beim Dragoner-Regiment Nr. 13. Laut seiner Militärakte war er heimatberechtigt in Kallich, Bezirk Komotau, Böhmen. Das rührte daher, daß die Heimat seines Vaters Gabrielahütten / Kallich war. Dieser ist 1858 dort geboren.

In der Militärakte stehen folgende persönliche Informationen:

Religion: römisch-katholisch
Beruf: … Kutscher
Haare: blond
Augen: grün
Augenbrauen: blond
Nase: gewöhnlich
Mund: gewöhnlich
Kinn: rund
Angesicht: oval
Geimpft: ja
Spricht: Deutsch
Schreibt: Deutsch
Körpermaß in Meter: 1,62 ½
Größe der Fußbekleidung: 12

Er wurde eingereiht (einberufen) am 01. Oktober 1905 zur 5. Eskadron. Am 16.10.1905 wurde er Offiziersdiener für den Herrn Rittmeister 1. Klasse Friedrich Freiherr Wolff von Wachtentreu. Am 08.05.1908 wurde er von der Stabsabteilung wieder zur 5. Eskadron versetzt. Nach Beendigung seiner ersten 3 Jahre in der Linie erfolgte die Überstellung zum Ersatzkader und von dort am 20.09.1908 zur Traindivision Nr. 09, Traineskadron Nr. 69. Diese unterstand dem Traininspektionskommando Innsbruck unter Generalmajor Johann Formanek Edler von Waldringen (8./9./14. Traindiv.)

Zum Train gehörten alle der Armee beigestellten Transportmittel, Fuhrwerke, Pferde, Tragtiere und das zugehörige Personal, womit der Train der kämpfenden Truppe alles zuzuführen hatte, was diese zur Aufrechterhaltung ihrer Schlagfertigkeit benötigte. (Munition, Bekleidung, Verpflegung, Sanitätsmaterial, Baumaterial usw.) Die Traintruppe bestand im Frieden nur aus Kaderverbänden). Es wurde hauptsächlich an der Aus- und Weiterbildung des Stammtruppenpersonals gearbeitet sowie das vorhandene Material des Armeetrains gewartet und verwaltet. Die Traintruppe bestand aus drei Regimentern, welche sich im Frieden in je einen Regimentsstab und fünf  Traindivisionen (Bataillone) gliederte. Die Traindivision war die eigentliche Einheit dieser Truppengattung und wurde selbstständig geführt.

Den Kavalleriesäbel führten Offiziere, Kadetten, Wachtmeister, Rechnungsunteroffiziere, Kurschmiede und Einjährig-Freiwillige, Zugsführer, Korporale und Trompeter, die mit Reitpferden versehenen Traineskadronen, Trainbegleitungseskadronen und Traindetachements für die Feldbäckereien. Alle anderen trugen den Pioniersäbel. Den Revolver trugen alle Unteroffiziere mit Ausnahme der Regimentsprofessionisten. Die Mannschaften führten den Karabiner (Wie überall, wurde das Trainwesen bei der Ausstattung mit Waffen benachteiligt. Lange wurde hier noch der Karabiner M 1873/77 geführt.)

Als Kopfbedeckung dienten den Mannschaften und Unteroffizieren der Tschako der Infanterie bzw. die rote Feldkappe der Dragoner. Offiziere trugen sowohl Tschako als auch Feldkappe nach dem Muster der Infanterie. Wie bei der Artillerie war der Waffenrock aus dunkelbraunem Tuch gefertigt. Knöpfe weiß und glatt, die Egalisierungsfarbe war lichtblau. Die Offiziere hatten auf dem Waffenrock eine goldene Anhängeschnur und eine gleiche Achselschlinge. Unteroffiziere trugen eine schwarzgelbe Wollschnur auf der Achsel. Die Waffenröcke der Mannschaften wiesen braune Schnüre auf. Beim Train hatte man nicht, wie bei der Kavallerie, die Mannschaftsbluse abgeschafft; sie bestand aus dunkelblauem Tuch und hatte hellblaue Parolis. Als Mantel diente der braune Kavalleriemantel mit hellblauen Parolis. Die Hosen und Stiefel entsprachen denen der Dragoner. Außer Dienst war den Offizieren das Tragen von Salonhosen gestattet. Die Mannschaften trugen die Kavalleriefeldflasche und den Kavallerieleibriemen, an dem sich die Revolverpatronentasche für die Munition (Revolver oder Karabiner!) befand.Trainoffiziere trugen die Offizierspatronentasche als Dienstabzeichen.

Ab 01.04.1914 gehörte er dann zur Traindivision Nr. 02, Traineskadron Nr. 16 unter Kommandant Major Ignaz ?ermák. Mit der Traindivision Nr. 02 nahm er am Rußlandfeldzug der k.u.k Armee im 1. Weltkrieg teil. Im Feld erkrankte er an Nierenentzündung und wurde am 10.01.1915 zu Traindivision Nr. 14, 14. Ersatzdepot unter Kommandant Major Franz Patzak versetzt.

Am 15.02.1915 wurde er als untauglich und bürgerlich erwerbsunfähig ins Militärinvalidenhaus nach Prag eingewiesen. Er erhielt eine Invalidenpension von 72 Kronen jährlich und eine Personalzulage von jährlich 192 Kronen (1 Krone hatte 1908 die Kaufkraft von 1,50 €).

Am 15.04.1918 wurde er als „Invalid zu jedem sonstigen Dienste ungeeignet“ aus dem aktiven Dienst entlassen und als  30% berufsunfähig eingestuft.

Während seiner Dienstzeit heiratete Paul Reichl 1909 Rosa Fanny Rudert und hatte mit ihre gemeinsam 7 Kinder von 1909 bis 1918. Laut Volkszählung von 1921 lebte er in Oberleutensdorf 562 und arbeitete nach seiner Entlassung aus dem Militär im Kohlenbergbau als Fördermann bei der Brucher Kohlengewerkschaft. Außerdem hatte er angeblich einen mobilen Würstchenstand um Geld zuzuverdienen. Dies brachte ihm den Spitznamen „Würstel-Paule“ in Oberleutensdorf ein.

Wegen der am 03.02.1922 in Komotau festgestellten Wehrdienstuntauglichkeit wegen Harnblasen- und Nierenbeckenerkrankung wurde er am 29.03.1922 endgültig aus dem Wehrdienst entlassen.

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