Wehrpflicht Deutschland ab 1871
Nach den Bestimmungen über das Reichskriegswesen in der Reichsverfassung von 1871 war jeder Deutsche wehrpflichtig und gehörte dem stehenden Heere sieben Jahre lang an, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre. Die ersten drei Jahre verbrachten die Wehrpflichtigen bei den Fahnen, die letzten vier Jahre in der Reserve und die folgenden fünf Lebensjahre bei der Landwehr.
Der Großteil der Soldaten im Ersten Weltkrieg waren nach Geburtsjahrgängen einberufene Wehrpflichtige. Der jüngste noch im Ersten Weltkrieg ausgebildete Jahrgang war der Jahrgang 1900.
Nach der Demobilisierung gemäß Teil V des Friedensvertrags von Versailles bestand die Reichswehr nur noch aus freiwilligen Soldaten. Die Wehrpflicht richtete sich gemäß Art. 133 der Weimarer Verfassung von 1919 nach den Bestimmungen des Reichswehrgesetzes vom 21. März 1921. Sie war jedoch bereits mit Gesetz vom 21. August 1920 abgeschafft worden.
Mit dem „Gesetz über den Aufbau der Wehrmacht“ vom 16. März 1935 und dem „Wehrgesetz“ vom 21. Mai 1935 wurde nicht nur die Reichswehr in Wehrmacht umbenannt, es wurde auch jeder deutsche Mann wieder wehrpflichtig. Die Wehrpflicht bestand vom vollendeten 18. Lebensjahr bis zu dem auf die Vollendung des 45. Lebensjahres folgenden 31. März. Die Dauer des Wehrdiensts wurde zunächst auf ein Jahr festgesetzt und im August 1936 auf zwei Jahre verlängert. Die ersten Wehrpflichtigen stellte der Jahrgang 1914.
Die Männer der Jahrgänge 1901 bis 1913 waren danach für den Militärdienst im Deutschen Heer des Kaiserreichs bzw. der Kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg noch zu jung gewesen.
Um auch diese Jahrgänge militärisch auszubilden, wurden neben der aktiven Truppe „Ergänzungseinheiten“ („E-Einheiten“) aufgestellt. In ihnen erhielten die Angehörigen der „weißen Jahrgänge“ 1 eine zwei-, später dreimonatige Grundausbildung. Zunächst wurde 1936 der Jahrgang 1913 einberufen, 1937 die Jahrgänge 1912 sowie 1908 und ältere. Im Zweiten Weltkrieg wurden alle Jahrgänge von 1910 bis zuletzt 1926 als Soldaten zum regulären Kriegsdienst eingezogen, sowie in den letzten Kriegsmonaten die Jahrgänge 1927 bis 1928/29 zum „Volkssturm“ (alle männlichen Jugendlichen ab 16 Jahren).
Nach Verabschiedung der Wehrverfassung und des Soldatengesetzes im März 1956 erfolgte die erste gesetzmäßige Einberufung zur Bundeswehr am 1. April 1957 für Wehrpflichtige, die nach dem 30. Juni 1937 geboren worden waren. Deutsche Staatsangehörige, die nach dem 31. Dezember 1926 und vor dem 1. Juli 1937 geboren worden waren („weiße Dekade“), wurden nicht eingezogen, denn diese Männer galten für den Militärdienst mit 21 bis 30 Jahren bereits als zu alt. Sie wurden jedoch als freiwillige Offiziersanwärter angeworben. Soweit sie nicht als Jugendliche von der Wehrmacht, dem Volkssturm oder als Flakhelfer bzw. Marinehelfer eingezogen worden waren, bestand für sie niemals eine Wehrpflicht.
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1 Weißer Jahrgang ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für einen Geburtsjahrgang von Männern, der wegen nicht bestehender Wehrpflicht keinen Wehrdienst geleistet hat. Diese Männer werden auch als „ungedient“ bezeichnet.