Weissenberg 1939

Richard Weiss
Zeitweiser der Galiziendeutschen 2005

Etwa 9 Kilometer nördlich der Kreisstadt Gródek (Gródek Jagiello?ski) und annähernd 30 Kilometer von „Lemberg“ (Lwów) liegt die ehemals rein deutsche Siedlung „Weissenberg“ (Bia?ogród). Das Dorf ist in einer Doppelreihe von Häusern, welche sich auch heute noch längs der Straße hinziehen, angelegt worden. Durch den Ort verlief zu jener Zeit eine Wirtschaftsbahn, die von der Eisenbahnstation „Kannebrot“ (Kamienobrod) bis zum Wasserwerk „Wolize“ (Wola Dobrosta?ska) führte. Wolize liegt hinter dem Nachbarort „Towerschdehn“ (Dobrostany). Jetzt verläuft die Bahnlinie am westli­chen Rand Weissenbergs.

Das vor dem Ersten Weltkrieg erbaute Wasserwerk ist für die Wasserversorgung Lembergs zuständig gewesen, nicht jedoch für das eigene Dorf und die umliegenden Ortschaften. Diese mussten sich mit Kolbenpumpen oder Ziehbrunnen zufrieden geben, die an mehreren Stellen innerhalb der einzelnen Orte errichtet waren. Einzelne Gehöfte hatten 1939 bereits eigene Pumpen. Heute werden alle Haushalte mit Leitungswasser versorgt. Desgleichen auch mit Strom. Anno dazumal waren Petroleumlampen und Kerzen einzige Lichtquellen.

Weissenberg grenzt unmittelbar an den ukrainischen Ort Dobrostany. Ein Fremder würde die beiden Dörfer als eine Gemeinde ansehen. Die dort wohnhaft gewesenen Deutschen fühlten sich als Weissenberger.

1939 fand in der römisch-katholischen Kirche von Weissenberg nur noch an jedem 4. oder 5. Sonntag eine deutsche Frühmesse statt. Der Predigt in gebrochenem Deutsch folgte oft eine polnische Übersetzung. An allen anderen sonntäglichen Frühmessen sangen deutsche und polnische Kirchenbesucher, je nach Denkweise, die Lieder zur gleichen Melodie jeweils in ihrer Sprache. Viele der älteren deutschen Gottesdienstbesucher, vornehmlich Frauen, waren noch immer nicht der polnischen Sprache mächtig. Ihnen sind darum die polnischen Texte nicht geläufig gewesen.

Während der Zugehörigkeit Ostgaliziens zur Sowjetunion diente die Kirche der Kolchose als Lagerraum. Nun ist sie, nachdem sie innen und außen renoviert wurde, ein Gotteshaus für die dort lebenden griechisch-katholischen Gläubigen.